Strenge Grenzwerte Blaue Plakette: Für wen sie ein Fahrverbot bedeuten würde
Sie ist der Albtraum vieler Autofahrer: die blaue Plakette. Denn sie würde Millionen Autos aus den Städten aussperren. Wer betroffen wäre und wann die Plakette kommen könnte.
Die ersten Diesel-Fahrverbote sind in Kraft, etliche weitere dürften 2019 folgen. Das stellt nicht nur die Autofahrer vor Probleme, sondern auch die Kommunen. Wie sollen sie die Fahrverbote durchsetzen? Wie kontrolliert man, ob ein Dieselauto sauber genug ist oder nicht? Ein Blick in die Papiere kann die Frage beantworten. Fahrende oder geparkte Autos lassen sich so aber nicht überprüfen. Hier könnte eine blaue Plakette helfen, nur nur an besonders saubere und schadstoffarme Autos vergeben wird, sagen ihre Befürworter. Ähnlich wie die bestehenden Umweltplaketten zeigt sie auf einen Blick, wer die Innenstadt befahren darf und wer nicht. Was beim Fahren ohne Umweltplakette droht, erfahren Sie hier.
Die blaue Plakette und die Grenzwerte, die ihr zugrunde liegen, sind jedoch höchst umstritten: Wenn sie kommt, könnten viele Millionen Autofahrer keine Innenstädte mehr befahren, sagen die Kritiker. Ihre Befürworter hingegen meinen, die Plakette sei wichtig, um die Stadtbewohner vor giftigen Autoabgasen zu schützen.
Was genau hat es mit der blauen Plakette auf sich? Und wann müssen Autofahrer mit ihrer Einführung rechnen? Hier finden Sie alle wichtigen Informationen.
Worum geht es?
Schon im Jahr 2016 hatten sich die Umweltminister von Bund und Ländern geeinigt: Die blaue Plakette für besonders saubere Autos soll kommen. Dadurch solle die Stickoxidbelastung in den Innenstädten sinken. Die Gase greifen beim Menschen die Schleimhäute und den Atemapparat an, gelten auch als verantwortlich für Herz- und Kreislauferkrankungen. Kommunen mit besonders schlechter Luft sollten künftig selbst entscheiden können, ob sie entsprechende Beschränkungen aussprechen.
Welche Autofahrer wären betroffen?
Laut der Planungen würden folgende Autos eine blaue Plakette erhalten:
- Diesel, wenn sie die Euro-6-Norm (Ende 2015 eingeführt) erfüllen
- Benziner, wenn sie die Euro-3-Norm (seit 2001 verpflichtend) erfüllen
- Elektroautos
Etwa 13 Millionen Autofahrer gingen leer aus, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) im Jahr 2016 mit. Das Bundesumweltministerium wies diese Behauptung als Falschaussage zurück.
Die Präsidentin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, brachte im März 2018 einen neuen Vorschlag ins Gespräch: Sie sieht ein zweistufiges Modell vor. Eine hellblaue Plakette erhalten nachgerüstete Diesel der EU-Abgasnorm Euro 5 und alle Euro-6-Diesel. Eine dunkelblaue bekommen Diesel der neuesten Abgasnormen Euro 6d-TEMP und Euro 6d. Sie stoßen deutlich weniger gesundheitsschädliche Stickoxide aus – und zwar nicht nur beim Labortest, sondern auch im Alltag. Krautzberger meint, dass Fahrverbote in den allermeisten Städten dann gar nicht so streng sein müssten und eine dunkelblaue Plakette nur in Ausnahmen überhaupt notwendig wäre.
Warum genügt die grüne Plakette nicht?
Bei den bisherigen Plaketten in Rot, Gelb und Grün geht es um Feinstaub, nicht um Stickoxide. Nur wer die Plakette trägt, darf in entsprechende, teils recht große Umweltzonen einfahren. Diese Plaketten haben sich als wirksam erwiesen. Ob es auch auch bei der blauen Plakette um größere Zonen oder kleine Abschnitte geht – das sieht man in den einzelnen Städten unterschiedlich. In Stuttgart denkt man über eine große Zone nach, Hamburg will nur kurze Straßenabschnitte für ältere Diesel sperren.
Was sind die Folgen für Autos ohne blaue Plakette?
Ihnen drohen Fahrverbote in manchen Innenstädten. Wie viele und welche Orte das wären, ist noch unklar. Wer sich nicht an das Fahrverbot hielte, dem würde wie bei der Umweltzonenregelung ein Bußgeld von 80 Euro drohen. Wie streng kontrolliert werden würde, hängt von der jeweiligen Kommune ab, doch bereits bei der Umweltzonenregelung kritisieren Umweltschützer eine zu geringe Überprüfung.
Gravierender als drohende Bußgelder wäre der Wertverlust bei Diesel-Pkw unterhalb von Euro 6. Schon jetzt bekommen Besitzer älterer Dieselautos angesichts der Fahrverbots-Diskussion den Wertverlust zu spüren.
Kann man durch Nachrüstung eine blaue Plakette erhalten?
Nach aktuellem Stand und wohl auch darüber hinaus: eher nicht. Selbst neuere Diesel der Klassen Euro 4 oder 5 sind nicht mit vertretbarem Aufwand auf Euro-6-Niveau zu hieven. Die Nachrüstung wäre ungleich komplizierter als etwa der nachträgliche Einbau eines Rußpartikelfilters. Die Stickoxid-Abgasreinigung verlangt neben speziellen Katalysatoren auch eine ausgeklügelte Motorsteuerung, die alle Komponenten aufeinander abstimmt.
Wer würde von der blauen Plakette profitieren?
Zunächst wohl die Bewohner der blauen Zonen. Zumindest, wenn die Fahrverbote tatsächlich die Luft verbessern würden. Und vielleicht die Luftqualität in Deutschland allgemein. Auch die Anbieter von Hybrid-, Erdgas- und Elektroautos könnten aus dem Diesel-Bann ihre Vorteile ziehen.
- Großer Ausblick: Das gilt 2019 beim Diesel
- Drohende Fahrverbote: Diese 61 Diesel sind wirklich sauber
- Umweltplakette: Das droht, wenn man ohne sie fährt
Wann kommt die blaue Plakette?
Ob sie kommt und wann – beides ist unklar. Ursprünglich sollte die blaue Plakette schon 2017 starten. Nach heftiger Kritik und Widerstand – etwa aus der Autoindustrie – ruderte die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks zurück. Seitdem liegen die Pläne auf Eis.
Dennoch, Baden-Württemberg beispielsweise sieht für Stuttgart nach wie vor die blaue Plakette vor – sofern die Luft nicht durch andere Maßnahmen besser wird. Allerdings betont das Bundesland: Die Einführung müsse verhältnismäßig sein. Das heißt, mindestens 80 Prozent der Pkw und leichten Nutzfahrzeuge müssten die Anforderungen der blauen Plakette erfüllen.
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur SP-X
- bussgeldkatalog.org
- Website des Bundeslandes Baden-Württemberg
- Eigene Recherche